2016 London – Basel

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Eurovelo 5 / Via Romea (Francigena): London – Basel

Im Juli 2016 machten wir uns auf den Weg von London nach Basel. Wir wollten den Fernradweg Eurovelo 5 nehmen. Dieser ist nicht durchgängig beschildert. Ab Frankreich wurde es jedoch wirklich schwierig diesem Weg zu folgen. Also versuchten wir, ungefähr die Route zu erwischen. Im Elsass wurde es dann wieder besser.

2. Juli: London Airport – London Greenwich (35 km)

Der Flieger startet mit Verspätung. Nach der Ankunft in London müssen wir die Velokartons zum richtigen Ausgang bugsieren, auspacken, montieren, losfahren. Liest sich leicht, ist aber in Heathrow gar nicht so einfach. Nur ein einziger Ausgang ermöglicht es, nicht auf einem Highway zu landen und den mussten wir erst einmal finden. Während wir die Räder montieren kommt eine Frau zu uns und sagt: „It’s a pleasure to look at you, working in totally harmony.“

Die Fahrt durch die Stadt ist wirklich heiss – so auf der „falschen“ Seite fahren. Bis Greenwich haben wir dann kapiert, wie der Hase im englischen Verkehr läuft. Einfach abgucken. First look right… mithilfe von Handy und GPS finden wir den Weg zum Hotel relativ schnell und unkompliziert. Wir erreichen das Hotel ziemlich genau mit einem heftigen Wolkenbruch. Haben wir mal wieder Schwein gehabt.

3. Juli: London Greenwich – Rochester (74 km)

Wir starten mit Jörgs GPS. Statt direkt zum Themseufer zu fahren, das wir am Vorabend schon inspiziert hatten, machen wir einen Riesenumweg durch einen Park mit grossem Hügel, drehen dort orientierungslose Runden, um dann 500 m weiter vom Ausgangspunkt entfernt auf der „National Route No 1“ zu landen, ein Teil der Route EuroVelo 5.

Alles mehr oder weniger easy zu fahren Richtung Süden, alle Arten von Weg – Schotter, Asphalt, SingleTrail – und nette Begegnungen. Ein paar englische Renradfahrer: „You are heading up to Switzerland? Oh, next crossing left, than turn right.“ 😉

Eine besondere Herausforderung sind in England die äusserst kreativen und nervigen „Velosprerren“. Im schlimmsten Fall heisst das: alles Gepäck runter, Rad durchschieben, alles Gepäck wieder drauf.

Diese lustige Begegnung blieb uns noch lange in Erinnerung: Wir trafen einen älteren Herrn mit Fahrrad, zwei Jungs und ein Mann (offenbar drei Generationen). Nach etwas Smalltalk entdeckte ich ein totes Eichhörnchen auf seinem Gepäckträger. Natürlich musste ich danach fragen und er erklärte uns, er werde es gleich braten und hielt mir eine Bratpfanne unter die Nase, die an seinem Lenker hing. Die beiden Jungs grinsten nur. Der Herr der mittleren Generation wünschte uns noch eine gute Fahrt und schaute eher entschuldigend. Na dann – guten Appetit.

4. Juli: Rochester – Canterbury (82 km)

An kreativen Hindernissen mangelt es auch heute nicht. Auf den ersten 10 km haben geschätzt 10 Hindernisse zu überweinden. Da strengt an!

Die Strecke ist heute viel schöner als gestern. Trotzdem bleibt es spannend, man weiss nie, was der nächsten Kurve kommt. Ein Singletrail? Ein Hügel? Ein steckengebliebener LKW? Eine Stadt? Das Reisen ohne konkrete Vorstellung von der Strecke hat auch seinen Reiz wie ich finde…

Gegen 15.30 Uhr, viel später als erwartet, erreichen wir Canterburry. Nach unserem sehr verdienten Feierabendbier in der Fussgängerzone suchen wir einen Supermarkt. Wärend wir offenbar „lost“ aussehen, spricht uns ein Paar um die 60 an. Ob sie helfen könnten… Es stellt sich heraus, dass die beiden selbst begeisterte Reiseradler sind, genau wie wir. Sie geben wertvolle Tipps, wir erzählen noch ein bisschen und schwärmen uns gegenseitig einen vor. Dann fahren wir zu einem tollen Campingplatz, ca. 2 km von der City entfernt. Superschön, super sauber, super Lage. Wir werden 2 Nächte bleiben, beschliessen wir beim Nachtessen. Und morgen müssen wir natürlich die berühmte Kathedrale besichtigen.

5. Juli: Sightseeing – Canterbury

Nachdem wir lange geschlafen haben auf dem wunderbaren Campingplatz (das soll uns in den nächsten Tagen immer bewusster werden), besichtigen wir die Kathedrale . Wir sind schwer beeindruckt von der Grösse des Bauwerks und von seiner Schönheit. Ein paar Brocken tauchen in meiner Erinnerung wieder auf, schliesslich war ich als Teenie schon mal dort.
Den Nachmittag verbummeln wir in der Stadt und landen natürlich mal wieder in einem Veloladen. Jörg hat die Halterung fürs GPS daheim vergessen, nun suchen wir einen Halter. Das wird jedoch wirklich schwierig. Jörg baut deshalb eine Konstruktion als Kabelbindern. Das hält. Die Jungs in dem Laden helfen uns so gut sie können, sehr nett.

6. Juli: Canterbury – Dover – Ardres (F) (80 km)

Heute geht es nach Frankreich. Die Strecke ist wunderschön und super beschildert. Auch das Timing passt. Meist geht es entlang der Küste, die doofen Velohindernisse werden weniger und die Wege velofreundlicher. Allerdings müssen wir uns die Ankunft in Dover redlich verdienen. Es geht nicht etwa geradeaus, sondern hoch und runter ohne Ende, aber eben wunderschön.

Um ca. 13:00 Uhr erreichen wir Dover und rauschen direkt durch zum Fährterminal. Super Signalisation, immer der roten Linie am Boden folgen. Die Fähre geht um 13:45 Uhr, auf geht’s nach Frankreich.
Erste Schwierigkeit: wie kommen wir aus dem Fährterminal wieder raus??? Fast lebensgefährlich – LKWs links und rechts.
Zweite Schwierigkeit: wieder auf der „richtigen“ Seite fahren.
Dank Internet haben wir einen Campingplatz im Blick, noch ca. 20 km.

Wir lassen den Tag in einer Kneipe ausklingen mit Fussball: Portugal gegen Wales. Jörg füllt mich ab und wir schlafen am nächsten Morgen bis um 8:00 Uhr!

7. Juli: Ardres – Lillers (83 km)

Kilometer schruppen. Hässlicher Campingplatz in Lillers. Abends schauen wir in einer Kneipe das EM-Spiel Deutschland gegen Frankreich. Es stellt sich heraus, dass wir in einer Homokneipe gelandet sind. Die Jungs und Mädels sind sowas von herzlich und zum Schluss werden noch persönlich und mit Küsschen verabschiedet. Deutschland verliert.

8. Juli: Lillers – Lille (58 km)

Heute Rückenwind. Der Tag startet mit einem Platten. Ja nu… 15.30 Uhr schon in Lille. Wir gönnen uns ein schönes Hotel und müssen erst mal Wäsche waschen. Danach haben wir gerade noch genug Zeit, um eine gescheite Strassenkarte zu kaufen.

9. Juli: Lille – Geraardsbergen (99 km)

Am Morgen fahren wir etwas orientierungslos in der Gegend herum. Beinah landen wir auf einer Autobahn. Die wild hupenden Autos verhindern das glücklicherweise. Nach 30 km haben wir dann langsam wieder eine brauchbare Strecke unter den Rädern. Auf dem Veloweg am Strassenrand geht es ab durch die Mitte. Zwischendurch mit 30 km/h dank Rückenwinden – das ist wirklich cool.

Gefühlt schnell landen wir in dem netten Städtchen Geraardsbergen. Wir sind in den flämischen Ardennen angekommen und es wird hüglig – und heiss. In Geraardsbergen möchte Jörg ein Bier und so finden wir uns um 16.30 Uhr in einem sehr coolen Burgerladen wieder. Zum Bier gibt es einen kleinen Burger, dabei sind wir noch nicht einmal am Ziel. Das ist ein schöner Campingplatz an einem kleinen See. Noch 5 km an der Dender entlang. Nach der Vorspeise im Burgerladen kochen wir noch Spaghetti mit Sosse. Wir schlafen himmlisch und schaffen es sogar, die Mücken auszutricksen.

10. Juli: Geraardsbergen – Brüssel (40 km)

Heute kleine Kaffeefahrt. Erster Stop in Ninove. Danach Kilometer fressen, Abgase schlucken auf der N8. An einem Sonntag kein Problem. Wie es auf der vierspurigen Strasse in der Woche aussieht, malen wir uns lieber nicht aus.

Angekommen in Brüssel gibt es endlich mal wieder etwas Gesundes: Salat (mit belgischen Pommes). Hmmmm…. Danach das übliche Stadtprogramm: Hotel suchen, Wäsche waschen, Sightseeing. Wir geniessen Brüssel.

Die Polizeipräsenz und das Militäraufgebot sind beeindruckend. Sind die Anschläge in der Stadt doch noch nicht lange her. Wir sind froh darüber, dass die Beamten bis unter die Zähne bewaffnet sind.

Tagesabschluss: Vietnamesisch essen und das EM-Finale. Portugal besiegt Frankreich. Gut, dass wir nicht mehr in Frankreich sind…

11. Juli: Brüssel – Namur (80 km)

Ein stürmischer Morgen und später Wegverwirrung. Ein anstrengender Tag mit Seitenwind, viel Hauptstrasse und mehr Höhenmetern, als mir lieb sind.

In Namur bin ich müde, die Beine mögen nicht mehr, wir wissen nicht, wie es weitergehen soll und wohin. Dann das Highlight des Tages: der erste offizielle Wegweiser des EuroVelo 5. Wir fahren noch etwas am Fluss „Meuse“ entlang und beschlissen spontan in der „Auberge de Jeunesse“ abzusteigen. Eine gute Entscheidung: ein schöner Ort zum Verweilen, Entspannen und die perfekte Jugi.

12. Juli: Namur – Rochefort

Radelbeginn mit Regen. Dabei wäre die Strecke am Fluss entlang so schön. Rechts und links erheben sich die Hügel und werden höher mit Wäldern und Felsen. Die Landschaft ist richtig schön und die vielen noblen Häuser entlang des Flusses bringen viel Abwechslung.

Timing ist einfach alles: Wir machen Kaffeepause in Dinant und ein Wolkenbruch geht nieder.

Danach geht es ab in die Berge. Obwohl ich am Abend vorher total platt war, läuft es überraschend gut. Dafür ist Jörg nicht so fit. Er schlägt sich mit einem Schnupfen rum. Ganz ohne Dusche schaffen wir es an dem Tag dann doch nicht bis nach Rochefort.

Rochfort ist ein Touriort. Es gibt wie imer eine Kirche zu besichtigen und diversen Kleinkram. Einen Haufen Restaurants, kaum Unterkünfte. Wir finden einen Campingplatz, der grosse Zelte vermietet. Also die Zelte stehen schon. So eines nehmen wir – gute Entscheidung (es ist dicht), denn in der Nacht sollte es wieder ordentlich regnen.

13. Juli: Pausentag / Regentag in Rochefort

Regen.
Regen.
Geschenk von Jörg: Taschenmesser
Regen.
Regen.
Kaffee und Kuchen.
Regen.
Einkaufen.
Regen.
Essen.
Schlafen.
Regen.
Kaffee.
Regen.
Essen.
Schlafen.

14. Juli: Rochefort – Marbehan (72 km)

Nachdem es am Morgen noch ein wenig getröpfelt hat, bleibt es fürs erste trocken. Wir rollen guter Dinge den Ardennen entgegen. Heute viele Höhenmeter – das war klar. Am Mittag erreichen wir Saint-Hubert. Auch dieser Ort wirkt etwas komisch auf uns, wie zuvor schon Rochefort. Gastfreundschaft oder Service scheinen hier ein Fremdwort zu sein. Erst die komische Tante in der Touriinfo, dann die rabiate Madame in der Bar vom Campingplatz, später der Mann im Anglerladen, der nicht bereit war auch nur ein Minimum an Kundenfreundlichkeit zu zeigen – Jörg kaufte das tolle Messer für mich trotzdem.

Also in Saint-Hubert wollen wir zur Mittagszeit einen Kaffee oder einen Espresso beim Italiener trinken. Dass wir nicht rausflogen, war wirklich alles. Nein – nur essen!!! … Beim Türken bekommen wir eine leckere Pommes und einen Kaffee und nett waren die auch, richtg nett.

Wir meiden die grossen Strassen und werden mit tollen Landschaften belohnt. Einen dicken Regenguss beobachten wir unter dem Dach des Fuhrparks eines Bauernbetriebes. Hauptsache nicht schon wieder komplett nass werden.

Übernachten auf einem schönen, ruhigen Campingplatz.

15. Juli: Marbehan – Luxemburg (55 km)

Radeln ohne besondere Vorkommnisse. Endlich erreichen wir Luxemburg, mit zwei Tagen Verspätung. Die Ardennen haben es doch ganz schön in sich.

Viel los in Luxemburg – zu viel. Wir bleiben nur zum Übernachten und Karten kaufen.

16. Juli: Luxembourg – Saarlouis (ca. 90 km)

Tolle Landschaft. Eine sehr schöne Tour heute, wenn auch sehr anstrengend. Ab Schengen sind wir in Deutschland unterwegs. In Schengen ist nix los, dafür geht es von da an ordentlich rauf und runter. Und endlich gibt es auch gute Beschilderung.

In Saarlouis übernachten wir auf einem wirklich schönen Campingplatz. Ich wünsche mir schon den ganzen Tag Griechischen Salat. Und das erste Restaurant, das wir am Abend finden ist ein griechisches Restaurant. Hab ich im Universum bestellt! Perfekt!

Und es ist warm. Der Sommer ist zurück, nachdem wir in Belgien so gefroren haben.

17. Juli: Saarlouis – Kaskastel (80 km)

Heute ist alles anstrengend. Vom Aufstehen bis zum Ankommen. Zelt abbauen, radeln. In Saarmingues 1000 km. Zur Belohnung ein Bier. Anschliessend ist alles noch anstrengender. Dafür fahren wir auf dem schönen Saarradweg, immer an der Saar entlang.

Resumé des Tages: Es gibt Schwimmschiffe und Stehschiffe (Aussage von Jörg).

Heute war Überwindungstag.

18. Juli: Kaskastel – Elsass (85 km)

Nach einem flachen, angenehmen Start wird es Richtung Elsass sehr hügelig, extrem hügelig. Und es wird heiss. Um 11:00 Uhr sind es bereits 30°.

Wir möchten noch einen Tag im Elsass bleiben und müssen deshalb weiter. Wir haben eine Unterkunft gebucht in Neuhartheim-Ittenheim, in der Ferme de Marie Helène übernachten wir, das ist 18 km von Strassburg entfernt. Also müssen wir wohl oder übel noch weiterfahren in der Hitze.

Endlich angekommen in der wunderschönen, rustikalen Unterkunft, mit Herz geführt, erwartet uns die Ernüchterung: Das Restaurant ist an diesem Abend geschlossen. Und nichts in der Nähe, unsere Vorräte sind aufgebraucht. Der nächste Laden ist 5 km entfernt. Jörg erklärt sich bereit, ohne Gepäck zum nächsten Supermarkt zu radeln. Er kriegt von mir dafür das Urlaubsverdienstkreuz.

Der Besitzer ist total nett: Er bietet uns sogar sein Auto an. Aber Jörg fährt tapfer mit dem Zweirad. Am Abend kochen wir dafür mit dem Camping-Kocher im Garten des geschlossenen Restaurants: Alles frisch und lecker! Wozu brauchen wir da noch ein Restaurant?

19. Juli: Ruhetag im Niemandsland im Elsass

Statt Sightseeing in Strassburg und Shopping beschliesse ich, den schönen Garten der Unterkunft zu nutzen, dort zu verweilen und zu entspannen – wir sind ja schliesslich in den Ferien. Süsses Nichtstun! Etwas müssen wir aber doch erledigen: Zelt trocknen, Schlafsack lüften, Velos schmieren, was so der Veloreisealltag erfordert.

Ansonsten häkeln, lesen, schlafen, essen schlafen. Spazieren bei 35°… Abends können wir dann das Restaurant testen! Fein!

20. Juli: Elsass – Neuf-Brisach

Nach einer viel zu warmen Nacht (bloss nicht das Fenster öffnen wegen der Moskitos) pellen wir uns aus dem Bett und sind um 7:45 Uhr on the road again. Schon vor 9:00 Uhr erreichen wir Strassburg. Die Stadt schläft noch. Die Stadt ist einfach schön, vor allem; wenn sie so leer ist. Da kommen wir doch noch einmal wieder zum Bummeln. Jetzt geht es erst einmal weiter Richtung Süden, immer am Kanal entlang.

Die Nacht verbringen wir auf einem echt süssen Camping-Platz in Neuf-Brisach, sehr radlerfreundlich mit Velo-Reparaturstation. Überall wachsen bunte Blumen, es ist alles sehr gepflegt. Da campen wir doch gern.

Unser Gas neigt sich dem Ende zu also gehen wir essen. Sonst können wir am Morgen keinen Kaffee kochen, das wäre fatal.

21. Juli: Neuf-Brisach – Basel

Richtung Heimat rollt es sich besonders schnell – ich habe Stalldrang. Und es ist schrecklich heiss. In Basel machen wir Schluss. In der Altstadt angekommen, merke ich: wir sind wieder in der Schweiz. „Abstiege!! Da isch denn kei Veloweg.“ – Stimmt ja gar nicht – wohl Veloweg. Aber so wusste ich – wir sind zurück.

Ab in den Zug und ab nach Hause. Schön war’s!

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